Stele 22 in Planung

Station 22 Flurklinik, Wöchnerinnen-Asyl, Flurstraße 14


Das Wöchnerinnen Asyl


Ein imposantes und wichtiges Gebäude an der Ecke Flurstraße/Degerstraße im Stadtteil

Flingern Nord wurde am 14. Juni 1910 eröffnet: die „Frauenklinik an der Flurstraße“,

abgekürzt auch „Flurklinik“ genannt. Bei der Einweihung trug das Gebäude den Namen

„Wöchnerinnen-Asyl“ In manchen Texten heißt es auch „Wöchnerinnen-Heim“. Tausende

Düsseldorfer:innen haben dort das Licht der Welt erblickt und wer dort geboren wurde,

bezeichnet sich voller Stolz und mit Recht als „echtes Flingeraner Kind“.

Bereits in den 1880er Jahren hatte es an der Grafenberger Allee eine ähnliche

Einrichtung gegeben, um Frauen und Kindern bei der schwierigen Phase der Geburt

unterstützend zur Seite zu stehen. Nach einigen Umzügen und mit Unterstützung einer

gemeinnützigen Stiftung sowie engagierten Bürger:innen konnte dann die Klinik „mit

rundem und turmähnlichem Eck-Gebäude“ errichtet werden.

Architekt diese Gebäudes ist der Düsseldorfer Ernst Roeting, der in der Stadt viele

Industriebauten, wie z.B. die „Alten Farbwerke“ an der Ronsdorfer Straße gebaut hat. Er

war nicht nur Architekt, sondern schuf als Künstler auch Stelen, Grabsteine und

Skulpturen. Am 11.02.1986 wurde der gesamte Baukomplex unter der Kategorie

„Krankenhausbauten, Alten- und Kinderheime“ in die Denkmalliste der Stadt Düsseldorf

eingetragen.

2002 wurde die Klinik an der Flurstraße, die 1977 mit dem Augusta-Krankenhaus

fusioniert hatte, und die für die Klinikteilbereiche wie Gynäkologie, Geburtshilfe und

Gereontropsychatrie zuständig war, geschlossen. Loftwohnungen und Gewerbeeinheiten

entstanden. Im Souterrain erinnerte bis zum Herbst 2022 ein Gastronomiebetrieb mit

dem Namen „Flurklinik“ an die alte Bestimmung des Hauses. Bis heute sind in der

Fassade die Muschelkalkfiguren wie Störche und Babys zu erkennen.

Ein eher düsteres Kapitel der Flurklinik darf hier allerdings nicht unerwähnt bleiben.

Während der NS-Diktatur wurden im Zuge der sogenannten „Rassenhygiene“ in

Düsseldorf tausende Menschen Opfer einer Zwangssterilisation.

„Wenn das Düsseldorfer Erbgesundheitsgericht auf Unfruchtbarmachung entschieden

hatte, musste der oder die Betroffene innerhalb von wenigen Wochen den Eingriff über

sich ergehen lassen. (...) In der Frauenklinik der Medizinischen Akademie in Düsseldorf

(Flurstraße) war es dem dortigen Leiter, Prof. Dr. Hans Reinhard Schmidt-Elmendorff, ab

1935 möglich, anstelle der konventionellen chirurgischen Eingriffe auch eine

„Strahlenbehandlung“ mit Röntgengeräten durchzuführen. Allein an der Flurstraße

wurden zwischen Mai 1934 und Ende Juni 1935 mindestens 112 Frauen sterilisiert. (...)

Das ehemalige SS-Mitglied Schmidt- Elmendorf, das viele Sterilisationen durchgeführt

oder verantwortet hatte, ging 1958 in den Ruhestand.“ Er hat sich nie dafür verantworten

müssen und erhielt 1959 das Bundesverdienstkreuz. (Informationen aus:

„zwangssterilisiert“ - Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf)


Frauen in der Zeit der Industrialisierung


Zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert waren Frauen weitgehend rechtlos.

Sie wurden nicht als Staatsbürgerinnen oder als freie Lohnarbeiterinnen anerkannt,

hatten kein Wahlrecht und konnten keine öffentlichen Ämter ausüben. Verheiratete

Frauen waren nicht geschäftsfähig und durften auch nicht frei über ihren Verdienst

verfügen.

Da aber das Einkommen, das die Männer aus den Fabriken mit nach Hause brachten,

für das Überleben der Familien oft nicht ausreichte, arbeiteten viele Frauen, Mütter und

auch Kinder in den Betrieben, um die Existenz der Familien zu sichern. Die Arbeit von

Frauen war bei den Fabrikanten sehr beliebt, denn sie waren belastbar, und ihr Lohn lag

deutlich unter dem der männlichen Kollegen. Auch Mädchen arbeiteten oft schon im

Kindesalter mit.

Die Arbeit in Webereien und metallverarbeitenden Fabriken war hart. Obwohl die

tägliche Arbeitszeit 1850 auf 10 Stunden reduziert wurde, „schufteten“ Frauen und Männer oft 14 – 16 Stunden lang. Auch Schicht- und Nachtarbeit waren normal. Arbeits-

und Sicherheitsschutz, Unfallversicherung und Altersversorgung, Umweltschutz und der

Schutz gegen Kündigungen und Willkür durch „Vorgesetzte“ waren damals weitgehend

unbekannt. Besonders für schwangere Frauen und junge Mütter war dies kaum zu

ertragen. Obwohl 1878 in der Reichsgewerbeordnung eine Art Mutterschutz festgelegt

wurde, waren die Frauen nach der Entbindung weder vor Kündigung geschützt, noch

bekamen sie ihren Lohn weiterbezahlt. Um dem zu entgehen, gingen viele Frauen sofort

nach der Entbindung wieder zur Arbeit. Nicht nur die Säuglingssterblichkeit, auch die

Todesrate bei Geburten war damals für Mutter und Kind sehr hoch.

Pflegeeinrichtungen, Entbindungskliniken oder Asyle für Wöchnerinnen entstanden erst

gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Diese Einrichtungen wurden nicht im Rahmen einer

staatlichen oder kommunalen Daseinsvorsorge in der Trägerschaft von Städten und

Gemeinden gebildet, sondern sie wurden getragen von Vereinen, Kirchen,

Ordensgemeinschaften, privaten Stiftungen und wohltätigen Bürger:innen.

Neben der von einer gemeinnützigen Stiftung getragenen Geburtsklinik hier an der

Flurstraße arbeiteten in Flingern das evangelische Dorotheenheim und der Orden der

„Töchter vom Heiligen Kreuz“ im Kloster mit den sogenannten „gefallenen Mädchen“.

Das waren meist junge Frauen, die den damaligen bürgerlichen Moralvorstellungen nicht

entsprachen.

Erst 1952 wurde in Deutschland ein „Mutterschutzgesetz“ verabschiedet, das danach oft

nachgebessert in den Grundzügen noch heute gilt.


Kaspar Michels

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