Station 14 Alte Farbwerke, ehem. Fa. Moritz Müller & Söhne

                 

Ronsdorfer Straße 74


Gewerbehof und Industriedenkmal


Schon auf einer alten Stadtkarte von 1898 finden wir an der damaligen Markenstraße 239 (seit 1906: Ronsdorfer Straße 74), direkt neben der alten Gleistrasse der Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn, ein Areal der Fa. Moritz Müller & Söhne.

Eingezeichnet ist schon das heute noch existierende Vorderhaus.

Moritz Müller & Söhne waren mit ihrem Betrieb für die Herstellung von Bleifarben und für die Destillation von Holzprodukten seit 1862 an der Kölner Straße/Ecke Eintrachtstraße angesiedelt. Sie bauten 1899 hier in Lierenfeld an der Grenze zu Flingern und Oberbilk eine große chemische Fabrik für die industrielle Produktion von Weißpigment- Bleiweiß, das für die Herstellung von weißer Farbe und von „Mennige“ für den Rostschutz für Industriegebäude, Maschinen und den damaligen Brückenbau benötigt wurde.

Auf dem neuen Firmengelände, das einen eigenen Bahnanschluß erhielt und mit viel Raum für Erweiterungen ausgestattet war, entwickelte der damalige Architekt Ernst Roeting eine Architektur, die eine autarke Energieversorgung enthielt und die aufeinanderfolgende Produktionsschritte (Kammerverfahren) möglich machte. Ernst Roeting war Architekt und Künstler, der Stelen, Skulpturen oder Grabsteine schuf und nach dessen Plänen 1908 auch das „Wöchnerinnenasyl“, die spätere “Flurklinik” (Stele 22) im Zentrum von Flingern gebaut wurde.

Nachdem mindergiftige Ersatzstoffe gefunden worden waren, gab es nach dem letzten Krieg keinen richtigen Markt mehr für das Bleiweiß. So wurde aus den Farbwerken in den 1950er Jahren nach und nach ein Handwerkerhof. Seit 1984 entwickelt das Unternehmen Gebhard & Co hier einen Gewerbehof mit einem spannenden Firmenmix.

Hier haben sich über 25 Unternehmen angesiedelt. In den restaurierten Hallen finden wir neben Lagerräumen u.a. Caterer, Werbefirmen, Maler- und Metallbetriebe, eine Kaffeerösterei, ein Café mit Terrasse an den alten Gleisen der Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahn, eine Maßkonfektionsschneiderei, einen Fachbetrieb für Haushaltsgeräte und ein Büro für Innenarchitektur und Möbeldesign.

Neben Proberäumen für Musik und Theater haben eine Jugendhilfeeinrichtung, die „Theaterkantine“ und das Theaterkollektiv Pièrre.Vers hier ihr Zuhause. Während des asphalt Festivals gibt es im Gewerbehof spannende Theateraufführungen und Kulturveranstaltungen.

Seit 2003 stehen die Farbwerke als Industriedenkmal für „Bauten und Anlangen der

Elektro- und chemischen Industrie“ unter Schutz.


Bleiweiß – bekannt seit der Antike


„Zu den Metallen, die bereits im frühen Altertum bekannt waren, zählt das Blei. Verschiedene Bleipräparate fanden schon bei den Römern Verwertung. ... Zur Zeit Gerbers kannten die Araber bereits das essigsaure Bleioxyd (Bleizucker), ferner das gelbe und rote Bleioxyd (Massikot und Mennige). ... Von der Mennige (minium) erhielten die Schriftmaler, welche sich ehemals mit der Herstellung der bunt ausgezierten handschriftlichen Bücher beschäftigten, den Namen Miniatoren, und eben daher rührt der Ausdruck Miniaturmalerei. ... Die damals wirtschaftliche Bedeutung der Bleifarbenindustrie wurde am besten dadurch charakterisiert, dass ein volles Drittel des in Deutschland gewonnen Bleis zu Bleifarben verarbeitet wurde. Von den Bleifarben war Bleiweiß die wichtigste und einzige weiße Anstreichfarbe, welche sich infolge ihrer chemischen Zusammensetzung widerstandsfähig gegen Luft und Wasser zeigte.“

(Historisch- biographische Blätter des Eckstein Verlag Berlin – auf der Hompage der Farbwerke)

Bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert war das Stapelverfahren das wichtigste Herstellungsverfahren in Europa. Hierbei wurden Bleiplatten in Tonkrüge gelegt, die mit Essig gefüllt waren. Die Krüge wurden in großen, geschlossenen Räumen auf Kuh- oder Pferdemist gestapelt, der Kohlendioxyd freisetzte. Durch die Kombination von Essigsäuredämpfen und Kohlendioxyd begann das Metall zu korrodieren, wodurch sich eine weiße Schicht von Bleiweiß auf der Oberfläche der Bleiplatten bildete. Das so entstandene Bleiweiß wurde abgeschabt, gewaschen, getrocknet, gemahlen und als Pigment verwendet. Um unabhängiger von natürlichen Materialien wie Pferdemist zu sein, um schneller, hygienischer und effizienter zu produzieren, wurde um 1860 das Kammerverfahren entwickelt, das auch hier in den Farbwerken zur Anwendung kam.

Als Ausgangsmaterial wurden dünne Bleiplatten in eine Kammer eingebracht, in die Essigsäure oder Essigdämpfe geleitet wurde. So bildete sich zunächst Bleiazetat, auch bekannt als Bleizucker. Danach wurde Kohlendioxyd eingeleitet, um die Umwandlung des Bleiazetats in Bleiweiß zu ermöglichen. Die Kammern wurden beheizt und mit kontrollierter Feuchtigkeit betrieben. Die sich dann auf den Bleiplatten bildende Schicht Bleiweiß wurde wie beim Stapelverfahren zu Pigment weiterverarbeitet.

Trotz seiner Vorteile blieb auch dieses Verfahren gesundheitsschädlich und wurde später aufgegeben. Bleiweiß war und ist hochgiftig und verursacht Bleivergiftungen. Im 20. Jahrhundert wurde es in vielen Ländern verboten und zunehmend durch Titanweiß ersetzt, das ungiftig ist und eine bessere Deckkraft bietet.


Diese Stele wurde 2025 gestiftet von A. Gebhard GmbH & Co



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